Drei Menschen, ein Ort: ZenTRO
Wieder einen Platz finden
Das ZenTRO Dortmund, ein Zentrum für Tagesstruktur, hilft Menschen mit psychischen oder geistigen Einschränkungen ihr Leben zu strukturieren und in der Welt wieder Platz zu finden.
Die Biografien der Menschen im ZenTRO sind verschieden, ihre Belastungsgrenzen auch. Was sie eint, ist der Wunsch, Teil eines Alltags zu sein, der ihnen Halt gibt.
Sanja Lange (37), Ursula Rehmet (58) und Ulrich Pohl (71) kommen regelmäßig ins ZenTRO. Sie haben uns ihre Geschichten erzählt:
1 | Sanja Lange, 37 Jahre
Sanja Lange hat das Fetale Alkoholsyndrom. Sie kann sich schlecht konzentrieren. Sanja Lange sitzt im Textilbereich der Ergotherapie im ZenTRO Dortmund
"Man möchte halt so sein wie die anderen. Man ist es aber nicht."
Sanja, Lange
Die Nähmaschine surrt leise. Sanja Lange beugt sich konzentriert über den Stoff, zieht eine Naht entlang und richtet sich dann mit einem leichten Lächeln auf. Es ist Mittwochmorgen, 9 Uhr. Für Sanja Lange ist es der erste von zwei festen Terminen in dieser Woche – und ein Anker in einem Leben, das früher oft orientierungslos und chaotisch war.
Die 37-Jährige hat das Fetale Alkoholsyndrom (FASD), eine Behinderung, die entsteht, wenn werdende Mütter während der Schwangerschaft Alkohol trinken. „Das kann schon passieren, wenn Frauen nur eine Praline mit Alkohol essen“, ordnet Sanja Lange ein. Die Folgen für sie waren groß: Schon als Kind passte sie nirgendwo richtig hinein, in der Schule lief es schlecht, einen Beruf kann sie nicht ausüben, weil sie sich schlecht konzentrieren kann.
Wie sie ohne Kälte- und Wärmeempfinden lebt und ihr eine Anleitung beim Zähneputzen hilft, beschreibt Sanja Lange so:
Sanja Lange kommt zwei Mal pro Woche ins ZenTRO. Ihre Diagnose FASD erhielt sie erst mit 30. Heute weiß sie, warum manches schwer war – und was ihr hilft: Struktur. „Ich stehe jeden Tag um halb sieben auf. Auch am Wochenende. Mein Alltag ist durchgeplant – vom Zähneputzen bis zum Abendessen. Wenn mein Plan aus dem Takt kommt, fällt alles auseinander.“
Das ZenTRO ist ein zentraler Baustein in diesem Plan.
"Bis ich irgendwann den Zettel an Zeh habe" − so lange möchte Sanja Lange im ZenTRO bleiben:
Nebenbei arbeitet Sanja an großen Zielen: Sie hat mit dem Rauchen aufgehört, über zehn Kilo abgenommen und steckt mitten in der Vorbereitung auf eine Magenverkleinerung. Auch der Führerschein steht an. „Ich mache das alles, weil ich es will. Nicht, weil jemand sagt, ich muss.“ Das Arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt wird für sie kein realistisches Ziel mehr sein, sagt sie selbst – ohne Wehmut, aber mit Klarheit: „Ich kenne meine Grenzen. Ich kenne meine Stärken. Und das reicht.“
2 | Ulrich Pohl, 71 Jahre
Ulrich Pohl war bei Opel in Bochum beschäftigt. Irgendwann machte die Psyche nicht mehr mit. Jetzt kommt er regelmäßig in die Holzwerkstatt.
"Die Krankheit fragt nicht, was man will. Sie kommt einfach."
Ulrich Pohl
Der 71-Jährige stellt ein Teil für ein Mobilé für Kinder her. Präzise schleift er eine Kante ab, richtet das Holz aus, schaut konzentriert auf sein Werkstück. Die Hände bleiben so beweglich, sagt er, und der Kopf auch. „Ich brauche was zu tun. Sonst bleibe ich im Bett. Wenn ich keinen Termin habe, mache ich nichts. Gar nichts“, sagt der gelernte Kfz-Mechaniker, der später bei Opel in Bochum beschäftigt war.
Jahrzehntelang arbeitete er durch – bis die Psyche nicht mehr mitmachte. Mit 57 kam die erste schwere Psychose, danach war nichts mehr wie vorher. Klinikaufenthalte, Medikamente, Rückzug. Dann der Hinweis seiner Ärztin: Versuchen Sie es mal mit der Ergotherapie im ZenTRO.
So schildert Ulrich Pohl seine Krankheit und seinen Weg ins ZenTRO:
Seit zehn Jahren kommt Ulrich einmal pro Woche. Und auch wenn es „nur“ drei Stunden sind – sie machen den Unterschied. „Ich habe dann einen festen Termin. Ich muss raus. Ich tue etwas mit den Händen. Das gibt mir ein gutes Gefühl.“
Was Ulrich Pohl beschreibt, klingt einfach – ist aber für Menschen mit psychischer Erkrankung oft ein Kraftakt. Sein Alltag ist geprägt von Schwankungen. Mal hat er mehr Antrieb, mal gar keinen. „Ich weiß nicht, warum das so ist. Mal geht alles leichter, mal will ich nur schlafen. Aber wenn ich hier bin, merke ich: Ich bin nicht allein.“
In der Holzwerkstatt findet er Ruhe. Und Gemeinschaft. Auch außerhalb der regulären Zeiten verabredet er sich manchmal mit anderen Teilnehmenden – für Kaffee, Kuchen, Gespräche. „Das tut gut.“
Ulrich Pohl hat seine Krankheit akzeptiert und ist heute stolz auf das, was er schafft:
3 | Ursula Rehmet, 58 Jahre
Ursula Rehmet arbeitet im Kunstatelier. Die 58-Jährige kommt seit fast 15 Jahren ins ZenTRO, jeden Tag.
„Hier bin ich nicht allein. Und wenn etwas ist, ist Hilfe da. Das war nicht immer so.“
Ursula Rehmet
Ursula Rehmet hat ein bewegtes Leben hinter sich – geprägt von Krankheit und von Gewalt. Sie hat unter anderem eine posttraumatische Belastungsstörung und eine depressive Störung, und sich im Leben immer durchgekämpft, wie sie selbst sagt.
Doch der Arbeitsmarkt war zu hart. Der Druck zu groß. Ursula hatte epileptische Anfälle, psychosomatische Zusammenbrüche. Heute weiß sie: Was ihr hilft, ist Sicherheit. „Ich mache hier alles. Malen, Holz, Kochen, Basteln. Ich will nicht immer dasselbe machen. Ich liebe Überraschungen.“
Ursula Rehmet beschreibt, wie das ZenTRO ihr Leben verbessert hat:
Im Atelier hat sie auch Freundschaften geschlossen. „Ich habe hier Kameraden, mit denen gehe ich auch mal Eis essen oder Kaffee trinken.“ Für viele, die wie Ursula Rehmet mit Einschränkungen leben, ist soziale Isolation ein ständiger Begleiter. Im ZenTRO entstehen hingegen echte Verbindungen.
Drei Lebenswege – ein Ort
Dass es für Sanja Lange, Ursula Rehmet und Ulrich Pohl so gut läuft, haben sie dem Konzept des ZenTRO‘ zu verdanken.
„Wir sind kein Arbeitsplatz im klassischen Sinn. Wir sind ein Ort, an dem Menschen mit psychischen oder geistigen Einschränkungen lernen können, wieder eine Tagesstruktur zu haben“, beschreibt die ZenTRO-Leiterin Anja Aust die Herangehensweise.
„Sie steigern hier langsam ihre Belastbarkeit – in einem Tempo, das zu ihnen passt“, sagt die Einrichtungsleiterin, die mit ihrem Team eine ganze Reihe von Angeboten macht – von der Ergotherapie über die Kunst- und Musiktherapie, dem Bürotraining, der Gartenpflege, einem Montage- und Verpackungsbereich bis zur Werkstatt und Küche.
Warum ist eine Tagesstruktur so wichtig?

Anja Aust:
Es geht nicht darum, die Menschen produktiv zu machen. Manchmal ist der größte Fortschritt schon, regelmäßig zu erscheinen.
Das ZenTRO
Das Zentrum für Tagesstruktur, Rehabilitation und Orientierung (kurz: ZenTRO) des LWL-Wohnverbunds Dortmund bietet Menschen mit unterschiedlichen kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen die Möglichkeit, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen und ihrem Tag Struktur zu geben. Es richtet sich an Menschen, die nicht in der Lage sind, in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder gar auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten.
Kontakt im ZenTRO
Anja Aust
Willem van Vloten Str. 13
44263 Dortmund
Tel: 0231 4503-5360
Fax: 0231 4503-5369
