16.12.25 | Kultur Überraschung in der Paderborner Unterwelt
Archäologie unter dem Ratskeller
Blick in den gewölbten Raum und Zugang zu dem gemauerten Brunnen im Hintergrund.
Foto: EggensteinExca, Robert Gündchen
Derzeit wird der Befund umfassend dokumentiert. Die Stadt Paderborn überlege, die neu entdeckten Räume in die Neugestaltung zu integrieren und als offenes archäologisches Fenster - womöglich mit einem Glasfenster abgedeckt - für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, so Dr. Sveva Gai vom LWL.
Überraschung unterm Deckel - Kellergewölbe wohl aus dem Hochmittelalter
Seit einigen Monaten saniert die Stadt Paderborn den Ratskeller, da hier ein Gastronomiebetrieb entstehen soll. Mit dem nun entdeckten Kellergewölbe hat aber auch LWL-Stadtarchäologin Gai nicht gerechnet: "Um neue Leitungen zu verlegen, entfernte man den alten Fußboden. Zum Vorschein kam ein runder Metalldeckel, darunter ein Schacht. Die schmale enge, runde Öffnung gab einen Kellerraum mit Tonnengewölbe preis, der auf sehr viele erhaltene Bausubstanz schließen ließ."
Schnell kam eine archäologische Fachfirma hinzu, um die unerwarteten Befunde zu dokumentieren und die Strukturen mittels 3D-Technologie zu vermessen. Robert Gündchen ist Archäologe und leitet die Untersuchungen: "Wenn man es erstmal durch den schmalen Schacht geschafft hat, landet man in einem engen Vorraum, der teils mit einem modernen Ziegelgewölbe ausgebessert wurde. Dieser Vorraum geht in einen weiteren, bruchkalksteinernen, gewölbten Raum von etwa fünf mal drei Metern über", beschreibt Gündchen die Situation unter dem Ratskeller.
Daran schließt sich ein runder Bau-Schacht von fast drei Metern Durchmesser an, dessen Sohle allerdings über zwei Meter tiefer liegt und komplett verfüllt wurde, so der Experte weiter. Das Team geht derzeit davon aus, dass es sich um einen ehemaligen Brunnen handelt, der möglicherweise als Latrine nachgenutzt wurde. Der Keller ist zum großen Teil in den Felsen eingetieft und vermutlich in den Steinbruch des 11. Jahrhunderts gebaut, der die Domburg an der südlichen Seite einfasste. Eine genaue Datierung der Entstehung dieser Keller steht noch aus.
In den 1950ern entdeckt und wieder vergessen
LWL-Expertin Gai: "Als in den 50er Jahren das Rathaus nach dem Krieg wiederaufgebaut wurde, hatte man absolut keine Informationen über die mittelalterliche Topographie der Stadt. Den Befund haben Bauarbeiter wohl damals entdeckt, aber ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt: das Loch wurde mit einem Metalldeckel verschlossen und einfach vergessen."
Nachrichten über diesen Befund gibt es keine, weiß Gai dank eigener Recherche und vermutet, dass es niemand für wichtig gehalten habe, diese Entdeckung zu dokumentieren. Nach mehr als 25 Jahren Stadtarchäologie kann Gai heute sagen, dass die zwei Kernpunkte der Paderborner Altstadt (Domburg und Immunitätsbereich des Klosters Abdinghof) an ihrer südlichen Seite an tiefe Steinbrüche des 11. Jahrhunderts angrenzten.
Hier wurden im Mittelalter die Steine für den Bau der Kirchen gewonnen. Die archäologischen Untersuchungen der vergangenen und aus neuerer Zeit haben den Forschenden ein klares Bild der Stadttopographie geliefert: Die Steinbrüche wurden nach ihrer Nutzung im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts nach und nach verfüllt und überbaut. Die nun entdeckten Kellerräume gehören sehr wahrscheinlich zu einem Vorgängerbau des Rathauses. "Die Sohle des jetzt entdeckten Kellers liegt auf der Bodenhöhe eines Steingebäudes aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, das unterhalb des abgerissenen Hauses Am Schildern 6 im Jahr 2012 - östlich vom Rathaus - entdeckt und ausgegraben wurde. Man vermutet, dass der tiefe Steinbruch sich bis zu dem Areal des Rathauses erstreckte", so Gai.
Achtung Redaktionen: Falls ein individueller Fototermin gewünscht ist, melden Sie sich gern bei der LWL-Pressestelle.
Im Ratskeller (von links nach rechts): Christoph Lehnert MA, wissenschaftlicher Volontär. Robert Gündchen MA, Grabungsleiter, und Dr. Sveva Gai, Stadtarchäologin.
Foto: EggensteinExca, Moritz Fieseler
Christoph Lehnert bei dem Einstieg in den Kellerraum.
Foto: EggensteinExca, Robert Gündchen
Pressekontakt
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946
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