Transkript anzeigen Abspielen Pausieren

04.11.25 | Der LWL LWL-Historiker

Gutes Gedenken statt Gedenken-Leerlauf

Prof. Dr. Malte Thießen, Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte in Münster.<br>Foto: LWL

Prof. Dr. Malte Thießen, Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte in Münster.
Foto: LWL
Nutzungsrechte und Download Zu weiteren Bildern

Achtung Redaktionen: O-Töne von Malte Thießen und mehr Hintergrund zu Gedenken in der Region finden Sie hier: http://www2.lwl.org/de/LWL/portal/lwl-storys/2025/gedenken
https://cloud.lwl.org/s/QbmALmnHZ5ET3jY

Gern vermitteln wir Ihnen auch einen Gesprächspartner oder eine Gesprächspartnerin zu den Beispielen in den psychiatrischen Kliniken des LWL.




Münster (lwl). Aus Anlass der Gedenkfeiern zum 9. November hat der Chefhistoriker des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Prof. Dr. Malte Thießen, vor einem "Gedenken-Leerlauf" gewarnt. Rituale wie jährliche Kranzniederlegungen an ausgewählten Stätten könnten sich immer mehr abnutzen. Thießen: "Gedenken darf nicht zur Routine werden."

Gutes Gedenken erfülle nach seiner Ansicht drei Bedingungen, so Thießen weiter. Gedenken finde im Nahbereich statt, es schaue aus unterschiedlichen Perspektiven auf ein Ereignis und lade zum Austausch und Mitmachen ein.

"Verbrechen direkt vor die Haustür legen"
Als Beispiel nannte der Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte in Münster die Stolpersteine, eine Aktion des Künstlers Gunter Demnig, der 1996 begonnen hatte, bundesweit Gedenksteine im Pflaster vor den ehemaligen Wohnungen von NS-Opfern zu verlegen, die von den Nazis vertrieben oder in Konzentrationslagern ermordet worden sind. "Ich bin nach wie vor ein Fan dieser Stolpersteine: Sie leisten gutes Gedenken, weil sie das monumentale Verbrechen der Mordaktionen in den fernen Konzentrationslagern wieder zu uns holen und uns direkt vor die Haustür legen."

Mutig finde er auch den Tiktok-Kanal der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Thießen: "Die gehen dahin, wo ihr Publikum ist, die Schülerinnen und Schüler, und haben mit denen Aktionen in den Sozialen Medien gemacht." Nur auf Feiertagsreden und Schulausflüge zu setzen habe nicht mehr gereicht, die jüngere Generation wolle mitmachen und mitgestalten. "Gedenken muss heute dahin gehen, wo man es nicht vermutet, sonst bleibt es immer in denselben Kreisen."

Ein Beispiel aus der "Provinzialheilanstalt Marsberg": Gedenken an Ruth Stukenbrock
Ruth Stukenbrock wird 1927 als jüngstes von sechs Kindern geboren. Mit einem Jahr erleidet sie eine Hirnhautentzündung und bleibt danach in ihrer geistigen Entwicklung zurück. Bis zu ihrem 13. Lebensjahr lebt Ruth mit ihrer Familie auf dem elterlichen Bauernhof. Sie geht nicht zur Schule, kann aber am Hofleben teilnehmen. Im Frühjahr 1941 kommt Ruth in die "Kinderfachabteilung" der Provinzialheilanstalt Marsberg, Vorläufer des heutigen LWL-Klinikums in Marsberg (Hochsauerlandkreis). Ruth Stukenbrock kehrt nie wieder nach Hause zurück. In der heutigen Kirchstraße in Borgholzhausen erinnert ein Stolperstein an Ruths Schicksal.

Offiziell heißt es in Ruths Krankenakte am 17.8.1942: "Verstorben an Lungentuberkulose (...)". Die Realität ist: Ruth wurde ermordet. Denn die sogenannte "Kinderfachabteilung" in Marsberg hatte damals nur einen Zweck: Kinder mit Behinderungen mittels einer Überdosierung des Barbiturats "Luminal" zu töten. Was von Ruth Stukenbrock geblieben ist, sind die Erinnerungen ihrer Geschwister und ein Stolperstein.

Aus Anlass der Gedenkfeiern zum 9. November hat der Chefhistoriker des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Prof. Dr. Malte Thießen, vor einem "Gedenken-Leerlauf" gewarnt. Rituale wie jährliche Kranzniederlegungen an ausgewählten Stätten könnten sich immer mehr abnutzen.<br>Foto: LWL/Hollwedel

Aus Anlass der Gedenkfeiern zum 9. November hat der Chefhistoriker des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Prof. Dr. Malte Thießen, vor einem "Gedenken-Leerlauf" gewarnt. Rituale wie jährliche Kranzniederlegungen an ausgewählten Stätten könnten sich immer mehr abnutzen.
Foto: LWL/Hollwedel

Pressekontakt

Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235

presse@lwl.org

Der LWL im Überblick

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.

Zu allen Pressemitteilungen des LWL Zu allen Pressemitteilungen dieser LWL-Einrichtung