12.03.25 | Kultur Berühmter Sohn Westfalens kehrt für Sonderausstellung zurück in die Heimat
Peter Paul Rubens` "Anbetung der Hirten" ab 16. Mai in Paderborn
Das Mainzer Geiselverzeichnis enthält die älteste erhaltene schriftliche Erwähnung der Westfalen überhaupt. (Reichenau, um 805/806, Handschrift selbst 8. Jahrhundert, Pergament, H. 30,1 cm, B. 20,5 cm).
Foto: Benediktinerstift St. Paul, Sign. Cod. 6/1
St. Paul (Kärnten)/Paderborn (lwl). Dr. Pater Gerfried Sitar ist Direktor eines der großen historischen Museen in Österreich, dem Stift St. Paul in Kärnten, Österreich. Berühmt ist die Abtei auch für ihre umfangreichen Kunstsammlungen mit einem großen Bestand an wertvollen Ölgemälden. Davon profitiert ab dem 16. Mai auch das LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn, denn im Rahmen der Jubiläumsausstellung "775 - Westfalen" zeigt es Rubens` "Anbetung der Hirten". Was der Museumsdirektor mit Westfalen verbindet und warum auch die erste schriftliche Erwähnung Westfalens im Besitz seines Klosters ist, erklärt Pater Gerfried im Interview.
Wie schwer ist es Ihnen gefallen, den Rubens zurück in seine Heimat zu schicken, nach Westfalen?
Es gibt Objekte, die man weniger gerne hergibt, weil sie einfach einzigartig sind oder weil die Besuchenden sie in unserem Museum erwarten. Aber natürlich freue ich mich, wenn das Stift St. Paul auch international vertreten ist. Letztlich bedeutet der Leihverkehr auch immer einen Austausch auf wissenschaftlicher Ebene mit Museen weltweit. Somit ist man wichtig, und es ist ein schönes Gefühl, ein Museum zu haben, das nicht für sich selbst lebt, sondern ausstrahlt. Unsere Sammlung gehört schließlich zum Allgemeingut. Sie ist nicht unser Besitz, sondern sie gehört der ganzen Welt.
Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Westfalen denken?
Das ist vor allem die Kultur, die dort ansässig oder gewachsen ist. Aber natürlich denke ich auch an einzelne Stücke, die wir in unserem Haus haben, so ein Gemälde von Peter Paul Rubens, der ja in Siegen geboren und damit gebürtiger Westfale ist, und verschiedene andere Objekte, auch karolingische Gegenstände, die in Westfalen eine besondere Verwurzelung haben. Durch unsere Sammlung hat sich diese Verbindung immer wieder ergeben und das Wort Westfalen ist bei uns im Stift stets präsent.
Nicht zuletzt dank des sogenannten Mainzer Geiselverzeichnisses mit der ältesten erhaltenen schriftlichen Erwähnung der Westfalen überhaupt. Die Schrift ist ein Ausgangspunkt für das Jubiläum "1250 Jahre Westfalen", das der LWL gemeinsam mit der LWL-Kulturstiftung in diesem Jahr feiert. Aber was hat es mit ihr auf sich?
Das Mainzer Geiselverzeichnis ist im Grunde eine zweiseitige Liste mit 37 "Geiseln" und ihren Bewachern. Sie entstammen alle einflussreichen Familien aus Westfalen, Ostfalen und Engern, also den drei mächtigen Volksstämmen der Sachsen in Norddeutschland. Für Karl den Großen waren sie eine Art Pfand im Krieg mit dem Ziel, sein Gebiet und den christlichen Glauben zu verbreiten. Die Geiselnahme war damals eine gängige Methode der Kriegsführung. Die Menschen wurden nicht etwa gewalttätig gefangengenommen, sondern dem Sieger, häufig geistlichen oder weltlichen Führern, in Obhut gegeben. Ihr Wohlergehen war praktisch ein Faustpfand für das Wohlergehen der Besiegten.
Das Spannende an diesem Geiselverzeichnis ist, dass man das Kloster hier auch als einen Straf-Ort gesehen hat. Die Geiseln kamen zunächst auf die Reichenau - die Klosterinsel, heute UNESCO-Welterbe im Bodensee -, wo sie dann quasi in die Klostergemeinschaft integriert waren. Das wurde als Strafe empfunden. Aber wenn man sich die Situation im Rückblick der Geschichte ansieht, haben diese "Geiseln" im Kloster Beachtliches an Bildung erfahren und durften dort am Leben, vor allem am wissenschaftlichen Forschen, teilnehmen. So war es letztlich eine Win-Win-Situation. Natürlich spiegelt das auch die Geschichte, wie man es geschafft hat, ein großes Land zu befrieden. Daraus spricht im Wesentlichen die Geburtsstunde Europas, die ebenfalls in dieser Zeit lag.
Haben Sie eine Ahnung, wie der Rubens zu Ihnen ins Museum kam?
Es hieß, das Gemälde sei das Modell für ein Altarbild in der französischen Kathedrale von Soissons, das sehr lange als Original von Rubens bezeichnet wurde, und erst in den letzten Jahrzehnten als Schülerarbeit identifiziert worden ist. Wenn man sich dieses Modell anschaut, dann sieht man aber die Virtuosität des Meisters darin. Die kleinen Bilder sind immer qualitativ hochwertiger als die großen, weil sie mehr vom Meister preisgeben, vor allem seine Unbekümmertheit, und die Stilsicherheit. Somit ist diese Skizze eine der besonderen Arbeiten von Rubens, die auch zu seinem besonderen Werkverzeichnis gehört.
Rubens hat die Malerei zur Meisterschaft geführt. In Westfalen geboren, hat er vor allem in Antwerpen gearbeitet. Das Modello (italienisch für Modell) ist über das Kloster Sankt Blasien im Schwarzwald zu uns gekommen. Dort war der berühmte Fürstabt Martin Gerbert ein großer Sammler. Nachdem in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts das Kloster bis auf die Grundmauern abgebrannt ist, musste man sich eine neue Sammlung auf dem Reißbrett erstellen und so hat man die großen Namen abgehakt und geschaut, wo man etwas bekommt, was gut und teuer ist. Geld hat damals keine Rolle gespielt - ganz anders als heute. Nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 zogen die Mönche 1806 mit Sack und Pack nach Oberösterreich, von Oberösterreich nach Kärnten, und so kamen die Sammlungen schließlich in unser Haus.
Allgemeines zum Jubiläum "1250 Jahre Westfalen"
Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) feiert die LWL-Kulturstiftung 2025 das Jubiläum "1250 Jahre Westfalen" mit einem Kulturprogramm aus Kunst, Geschichte, Literatur, Musik, Kabarett, Kulinarik und Podcasts.
44 Kulturprojekte, die zusammen mit rund drei Millionen Euro gefördert werden, widmen sich in n Veranstaltungen der Geschichte Westfalens und aktuellen Fragen nach Identität, Herkunft und Zugehörigkeit.
Die Ausstellung "775 - Westfalen. Die Ausstellung" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn lädt ab dem 16. Mai 2025 als zentrales Projekt zur Wanderung durch die Jahrhunderte ein.
Das Kulturprogramm zum Jubiläumsjahr 2025 "1250 Jahre Westfalen" steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt an der Eröffnung der Ausstellung "775 - Westfalen. Die Ausstellung" zum Jubiläumsjahr "1250 Jahre Westfalen" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn teil. Der Festakt findet am 15. Mai 2025 im Hohen Dom zu Paderborn statt. Die Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost fördert das Kulturprogramm im Rahmen ausgewählter Projekte in Münster und im Kreis Warendorf.
Das Gemälde "Anbetung der Hirten" von Peter Paul Rubens (1577-1640), Antwerpen, 1621/22, Öl/Holz - H. 29 cm, B. 23 cm, ist ab dem 16. Mai in der Sonderausstellung "775 - Westfalen" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz zu sehen.
Foto: Benediktinerstift St. Paul, Pinakothek
Dr. Pater Gerfried Sitar ist Direktor eines der großen historischen Museen in Österreich, dem Stift St. Paul in Kärnten.
Foto: Benediktinerstift St. Paul
Das Stift St. Paul in Kärnten ist berühmt für ihre äußerst umfangreichen Kunstsammlungen.
Foto: Benediktinerstift St. Paul
Pressekontakt
Dr. Carolin Steimer, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-3504
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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