30.10.24 | Kultur Suche nach den Anfängen des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet
LWL forscht in Hagen
Mit Rammkernbohrungen wurden die Pingen und ihr Umfeld untersucht. So gelang eine detaillierte Kartierung, wo das Flöz an der Oberfläche verläuft.
Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Jennifer Garner
Hagen (lwl). Auf dem Kaisberg, einem der Hagener Stadtberge, findet derzeit ein archäologisches Forschungsprojekt zum frühen Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet statt. Auf Bergbau spezialisierte Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und des GeoPark Ruhrgebiet e.V. untersuchen hier Altbergbaustrukturen mit Ausgrabungen und Bohrungen.
Ursprünge eines der bekanntesten Bergbaugebiete Europas liegen im Dunkeln
Den wenigen erhaltenen schriftlichen Quellen ist zu entnehmen, dass bereits im Mittelalter ab dem 13. Jahrhundert Steinkohle im Raum des heutigen Ruhrgebiets abgebaut wurde. Tatsächlich hatte Steinkohle bereits lange vor der Industrialisierung eine wirtschaftliche Bedeutung für die Region. Steinkohle wärmte Häuser, wurde in Schmieden benutzt oder war wichtiger Brennstoff zum Salzsieden und beim Kalkbrennen. "Wie intensiv dieser Bergbau umging und wie die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Betriebsstrukturen organisiert waren, ist jedoch bis heute unbekannt", so Dr. Manuel Zeiler von der LWL-Archäologie für Westfalen. "Die Ursprünge eines der bedeutendsten Bergbaugebiete Europas liegen somit noch nahezu im Dunkeln - dies wollen wir ändern", sagt Zeiler weiter. Dieser "Forschungslücke" begegne die Forschungskooperation seit dem Frühjahr 2024, wobei sie von der Stadtarchäologie Hagen und dem Wirtschaftsbetrieb Hagen unterstützt werde.
Zunächst wurde mit dem Kaisberg ein Forschungsgebiet erkundet. "Die flache Bergkuppe weist zahlreiche trichterförmige Vertiefungen - sogenannte Pingen - und kleine Halden auf, die einen ehemals regen Bergbau belegen. Wann diese Formen entstanden sind und mit welcher Technik damals Steinkohle gewonnen wurde, soll unsere Grabung klären", sagt Dr. Till Kasielke vom GeoPark Ruhrgebiet e.V. "Historische Informationen machen wahrscheinlich, dass der oberflächennahe Bergbau hier bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht". Deswegen schlossen sich den Bohrungen Mitte Oktober archäologische Ausgrabungen an, die exemplarisch einige dieser Bergbaustrukturen untersuchen.
Untersuchungen sind nur der Anfang
Mehrere Probeschnitte wurden mithilfe eines Baggers angelegt, sogenannte Sondagen. Diese Sondagen durchschneiden einige der Vertiefungen, sogenannte Pingen, und Halden, klären deren Umfang und deren zeitliche Abfolge. Denn "Bergbau ist meist mehrphasig und jüngere Bergbauphasen überprägen ältere", weiß Dr. Jennifer Garner vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum. "Deswegen ist die größte Herausforderung für unsere archäologische Untersuchung, die verschieden alten Phasen des Bergbaus an dieser Stelle zu unterscheiden", erklärt Garner. Sie und ihr Team beachten dabei besonders den komplexen Schichtaufbau in den Halden. "Wir können bereits verschiedene Zeitphasen mit unterschiedlichen Abbautechniken abgrenzen", erläutert sie. Denn tatsächlich finden die Forschenden einfache Abgrabungen von Kohle in offenen Gruben, benachbart dazu kleine Schächte, die tiefer ins Flöz abgeteuft wurden, sowie schließlich größere Schächte, für deren Anlage bereits ein erheblicher technischer Aufwand nötig war.
Ziel des Pilotprojektes ist es, erstmals umfassend archäologisch ein Pingenfeld des frühen Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet systematisch zu untersuchen. Das Forschungsteam hofft mehr darüber zu erfahren, wie die frühen Bergleute gearbeitet haben und wie aufwändig der frühe Steinkohlebergbau betrieben wurde. Die Ergebnisse und Erfahrungen der ersten Untersuchungen sollen in ein umfassenderes montanarchäologisches Projekt zu den Anfängen des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet fließen.
Eine grabenartige Struktur identifizierte die archäologische Ausgrabung als verfüllter Tagebau. Im Profil ist die mit Lehm verfüllte Eingrabung in die Steinkohlezone zu erkennen.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler
Gleich vier Schächte befinden sich im Profil vor der Archäologin, von denen ein 3D-Modell erstellt wurde.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler
In dem Profil vor dem Archäologen ist die lehmverfüllte Eingrabung eines Schachtes zu erkennen, die in die Steinkohlezone eingetieft ist.
Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Jennifer Garner
Pressekontakt
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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