03.09.24 | Kultur Bauern der Jungsteinzeit in Geseke
Untersuchungen der Archäologie-Fachleute am Gewerbegebiet "Hansestraße"
Archäolog:innen lesen in den Erdschichten wie in einem Geschichtsbuch. Der Grabungsleiter Phillip Robinson M.A. weist auf das Kolluvium, einen Auftragungshorizont hin, der sich nach der Besiedlung durch Abtragung andernorts erst bildete und in denen auch die ältesten Funde lagen.
Foto: LWL-AfW Olpe/M. Baales
Geseke (lwl). Bei Grabungen am Stadtrand von Geseke (Kreis Soest) kamen Spuren jungsteinzeitlicher Bauern und Belege für Siedlungswesen und Keramikherstellung aus der vorrömischen Eisenzeit zutage. Hintergrund ist die Erweiterung des Gewerbegebietes "Hansestraße". Eine archäologische Fachfirma hatte dort mit Begleitung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) rund einen Hektar Fläche untersucht.
"Das Grabungsareal liegt südlich der B1, die den Verlauf einer über Jahrtausende wichtigen Fernverbindung nachzeichnet", erklärt LWL-Archäologin Dr. Eva Cichy. "Auch das große Gräberfeld, das uns seit 30 Jahren bekannt ist, liegt mit bisher rund 70 Urnenbestattungen der jüngeren Bronze- sowie älteren Eisenzeit südlich dieser Wegeverbindung, nah an der neuen Untersuchungsfläche", so Cichy weiter. Das Areal sei also eine archäologisch wichtige "Fundecke" auf Geseker Stadtgebiet.
Vor 7.000 Jahren - wo frühe Geseker Bauern ihr Mehl mahlten
Über viele Jahrhunderte hinweg wurden immer wieder große Teile des gewachsenen Oberbodens durch natürliche Prozesse, aber auch ausgelöst durch die Öffnung der Landschaft, zum Beispiel durch Rodungen, abgetragen. So wurde das Fragment eines Mahlsteins entdeckt, der auf Getreideanbau an dieser Stelle verweist.
Der Getreideanbau begann schon um 5.300 vor Christus, der Epoche der Jungsteinzeit, worauf mehrere Steinartefakte aus westeuropäischem Feuerstein verweisen. Dieses Gestein kam aus dem Gebiet der Maas bis nach Geseke, wissen die Fachleute. "Als hier die jungsteinzeitlichen Bauern ihr Getreide mahlten, hatten sie bereits gute Handelsbeziehungen bis in die heutigen Niederlande", so Cichy.
Abseits der jungsteinzeitlichen Funde konnten die Fachleute auch eindeutige Belege für eine jüngere Siedlung, insgesamt rund 40 Einzelbefunde, feststellen. Grabungsleiter Phillip Robinson datiert die Befunde über die Keramikscherben: "Wir haben Keramik aus der Zeit kurz vor der Zeitenwende, also der Eisenzeit gefunden. Dabei handelt sich vorrangig um im offenen Feldbrand hergestellte, uneinheitlich gebrannte Keramik, die die lokale Bevölkerung vermutlich vor Ort hergestellt und genutzt hat." Nachdem sie nicht mehr brauchbar waren, wurden die Keramikgefäße zerstört und in Gruben entsorgt.
Neben den Abfallgruben konnten die Forschenden auch mehrere Pfostengruben im Erdreich entdecken, die deutlich machen, dass dort einmal ein Holzpfosten im Boden steckte. Diese Pfosten gehörten zu Speichergebäuden oder anderen sogenannten Holzständerbauten. "Diese archäologischen Befunde waren oft sehr schlecht erhalten und zeichneten sich im vom Bagger frisch abgezogenen Unterboden nur schwach ab", erläutert Robinson mit. Aufgrund des massiven Bodenabtrags konnten sich die archäologischen Befunde nur noch in Resten erhalten. Sie befanden sich zudem unter einem sogenannten Kolluvium. So bezeichnen die Fachleute eine Bodenschicht, die durch den flächigen Auftrag des abgetragenen Bodens entstanden ist.
Auch wenn der Boden hier keine weiteren Schätze freigab, sei das Archäologen-Team zufrieden, ebenso wie der Geseker Bürgermeister Dr. Remco van der Velden: "Wir freuen uns über einen weiteren archäologischen Beitrag zu unserer Stadtgeschichte. Dank gilt der LWL-Archäologie für Westfalen für die gute Zusammenarbeit."
LWL-Einrichtung:
LWL-Archäologie für Westfalen
Außenstelle Olpe
In der Wüste 4
57462 Olpe
Diese Grube aus der Eisenzeit war noch recht gut erhalten und enthielt auch dunkle Brandschuttreste.
Foto: LWL-AfW Olpe/M. Baales
Grabungsmitarbeiter Moritz Fieseler legt durch eine eisenzeitliche Grube ein Profil. Deutlich zu erkennen sind noch eisenzeitliche Scherben in der dunkleren Verfüllung.
Foto: LWL-AfW Olpe/M. Baales
Grabungsleiter Philipp Robisnón M.A. und LWL-Archäologin Dr. Eva Cichy tauschen sich über die gefundene eisenzeitliche Keramik aus.
Foto: LWL-AfW Olpe/M. Baales
Grabungsleiter Philipp Robisnón M.A. und LWL-Archäologe Prof. Dr. Michael Baales begutachten die wenigen Steinartefakte, die für eine ältere, jungsteinzeitliche Siedlungsphase sprechen.
Foto: LWL-AfW Olpe/E. Cichy
Wenige Funde aus Feuerstein, hier ein größerer und ein kleinerer Kern, von denen langschmale Klingen, wie sie auch zu sehen sind, abgetrennt wurden, verweisen auf eine jungsteinzeitliche Siedlungsphase.
Foto: LWL-AfW Olpe/M. Baales
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Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946
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