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17.06.24 | Kultur Spektakuläres Industriedenkmal im LWL-Museum für Archäologie und Kultur

Eröffnung der Studioausstellung und Vortrag "Vergessene Stahlzeit. Die Steinhauser Hütte in Witten"

Drohnenfoto des Nordbereiches der Ausgrabung Steinhäuser Hütte im Gewerbegebiet "Drei Könige" in Witten (Stand: 2018).<br>Foto: Archäologie am Hellweg eG

Drohnenfoto des Nordbereiches der Ausgrabung Steinhäuser Hütte im Gewerbegebiet "Drei Könige" in Witten (Stand: 2018).
Foto: Archäologie am Hellweg eG
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Herne (lwl). Von Donnerstag (20.6.) bis zum 29. Dezember 2024 zeigt das Museum für Archäologie und Kultur des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Herne im Rahmen der Studioausstellung "Vergessene Stahlzeit" erstmals einzigartige archäologische Zeugnisse sowie hochmoderne 3D-Rekonstruktionen der Steinhauser Hütte in Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis). Begleitet wird die Eröffnung um 19 Uhr von einem Vortrag des LWL-Forscherteams um den LWL-Archäologen Wolfram Essling-Wintzer und Dr. Olaf Schmidt-Rutsch, stellvertretender Leiter des LWL-Museum Henrichshütte in Hattingen (Ennepe-Ruhr-Kreis). Der Eintritt ist an diesem Tag kostenfrei.

Die Ausstellung wird am Donnerstag (20.6.) vom Vorsitzenden der Landschaftsversammlung Klaus Baumann eröffnet. LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger erklärt: "Die Ausgrabung rund um das ehemalige Stahlwerk Steinhauser Hütte war die bislang größte industriearchäologische Maßnahme in Westfalen." Auf einer Fläche von fast 20.000 Quadratmetern legten Archäologinnen und Archäologen auf Veranlassung des LWL 2018 gewaltige Mauerfundamente, Gewölbe und Öfen frei. Die Funde und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Bauwerk und der Technik vor Ort sind nun erstmals im LWL-MAK zu sehen.

Rüschoff-Parzinger: "Die Steinhauser Hütte ist nicht nur für die Technikgeschichte von großer Bedeutung. Sie ist vielmehr das herausragende Zeugnis einer Epoche, in der sich die Umwelt und die Lebensbedingungen der Menschheit so gewaltig verändert haben wie nie zuvor. Die Folgen dieser Entwicklung spüren wir gerade heute. Dabei ist die Stahlindustrie für die Identität des Ruhrgebiets prägend und bleibt unvergessen."

Viel ist im Ruhrgebiet - auch dank der Arbeit der LWL-Industriemuseen - über die Industrialisierung bekannt. Aber was sich 2018 vor den Augen der LWL-Archäolog:innen im Gewerbegebiet "Drei Könige" in Witten auftat, hat selbst den LWL-Chefarchäologen Prof. Dr. Michael M. Rind erstaunt: "Wir wussten natürlich vom Standort des ehemaligen Hüttenwerks, aber die gigantischen Ausmaße und wie viel davon seit dem 19. Jahrhundert erhalten geblieben ist sowie die Qualität kamen für uns absolut überraschend. Ein vergleichbarer Beleg für Produktionsanlagen an der Schwelle der industriellen Stahlherstellung ist unter Industriearchäolog:innen bislang weltweit nicht bekannt. Damit ist die Steinhauser Hütte ein bundesweit wie international einmaliger Fund."

Das war Museumsleiterin Dr. Doreen Mölders Grund genug für eine eigene Studioausstellung, welche die aktuelle Sonderausstellung "Modern Times. Archäologische Funde der Moderne und ihre Geschichten" ergänzt. "Die Ausstellung "Vergessene Stahlzeit" bietet einen einzigartigen Blick in die Geschichte des Ruhrgebiets, die für unsere Besuchenden oft auch die eigene ist." Vom Puddeln über das Bessemer- bis hin zum Siemens-Martin-Verfahren kamen alle wichtigen Stahlherstellungsverfahren der Zeit in der Steinhauser Hütte zum Einsatz. "Anhand aufwendiger 3D-Rekonstruktionen zeigen wir die Entwicklung der Stahlproduktion vom Handwerk, also von harter körperlicher Arbeit mit vergleichsweise geringen Produktionszahlen, bis hin zum Beginn der industriellen Massen-Fertigung."

In der Hochzeit arbeiteten im Wittener Stahlwerk 420 Menschen. "Ausstellungsstücke wie eine Bierflasche und eine Pfeife erzählen ihre ganz besonderen Geschichten", so Mölders. Die gigantischen Ausmaße der Gebäudestrukturen sind dank eindrucksvoller Drohnenaufnahmen vorstellbar. Rind: "Das Besondere an der Archäologie der Moderne ist, dass man denkt, die Epoche sei archivalisch gut erforscht. Planungs- und Genehmigungsprozesse dokumentieren die Beschaffenheit und Aufstellung der Maschinen. Sie gehen aber im Gegensatz zur Ausgrabung kaum in die Tiefe. Welche unterirdischen Infrastrukturen zum Betrieb des Stahlwerks notwendig waren, erschließt sich erst durch die Arbeit der Archäolog:innen." Sie sind in der Ausstellung zu sehen.

Mölders: "Wir freuen uns, dass Klaus Baumann die Ausstellung am 20. Juni eröffnet und laden alle Interessierten herzlich dazu ein. Mit seinem Grußwort würdigt der Vorsitzende der Landschaftsversammlung die Bedeutung des Industriestandortes Witten bereits in der Frühphase der Industrialisierung und die Relevanz der Steinhauser Hütte für die historische und archäologische Wissenschaft."

Im Rahmen der Eröffnung der Studioausstellung "Vergessene Stahlzeit" berichten der LWL-Archäologe Essling-Wintzer und Historiker Schmidt-Rutsch in ihrem Vortrag aus erster Hand von der Entdeckung und der Bedeutung der Steinhauser Hütte als weltweit einzigartigem Industriedenkmal. Schmidt-Rutsch: "Die Ausgrabung der Steinhauser Hütte erfolgte in Kooperation mit den LWL-Museen für Industriekultur und unter Einsatz modernster Dokumentationsmethoden. Im Verband des LWL unterstützen wir die Bodendenkmalpflege, um gemeinsam einem sachgerechten Umgang mit den technisch komplexen Hinterlassenschaften der Industriegeschichte gerecht zu werden."

Das Stahlwerk selbst konnte leider nicht komplett erhalten bleiben, aber für Interessierte bestehe Hoffnung, so Rind: "Dank des europaweit einzigartigen Netzwerks gelang es gemeinsam mit der Stadt Witten im Bereich des Puddelwerks eine Schutzzone einzurichten und damit den bedeutendsten Teil der Steinhauser Hütte zu erhalten. Diese Schutzzone könnte der Bevölkerung zukünftig als "archäologisches Sichtfenster" einen Blick auf das monumentale Bauwerk gewähren."

In der Zwischenzeit macht die neue Studioausstellung im LWL-MAK erstmals die gigantischen Strukturen, vielfältigen Funde und komplexen Stahlherstellungsverfahren der Steinhauser Hütte in Witten anschaulich und liefert damit bedeutende Einblicke in die Frühphase der Industrialiserung und ein bedeutendes Stück Ruhrgebietsgeschichte.

Die Sonderausstellung "Modern Times"

Die Sonderausstellung "Modern Times. Archäologische Funde der Moderne und ihre Geschichten" zeigt anhand von etwa 100 Fundplätzen archäologische Objekte der letzten 200 Jahre. Sie befasst sich mit den Beziehungen zwischen dem Menschen und diesen Objekten und ordnet sie sechs Kategorien zu: Innovation, Gefühl, Zweck, Besonderes, Zerstörung und Erinnerung. Jedes Exponat erzählt eine eigene, spannende Objektgeschichte und wird außerdem historisch und archäologisch eingeordnet.

Das LWL-Museum für Archäologie und Kultur, Westfälisches Landesmuseum

Das LWL-Museum für Archäologie und Kultur ist das zentrale Schaufenster der LWL-Archäologie in Westfalen und materieller Spiegel der Menschheitsgeschichte dieser Region. Um ein breites Publikum für die Archäologie und Kulturgeschichte zu begeistern, entwickelt das Museums-Team außergewöhnliche Ideen und verwirklicht mutige und besondere Ausstellungskonzepte. Im Mittelpunkt stehen ausgegrabene Fundstücke, deren Erforschung Grundlage für spannende Geschichten ist. Eine dem Thema entsprechende Inszenierung und Dramaturgie macht diese Inhalte für die Besucher:innen mit allen Sinnen erfahrbar. Mitmachen, Anfassen und Ausprobieren sind dabei ausdrücklich erwünscht.

Hintergrund-Infos zur Steinhauser Hütte

Pressemitteilung zur Ausgrabung von 2018:

https://www.lwl.org/pressemitteilungen/nr_mitteilung.php?urlID=44334

Film mit Interview des Ausgrabungsteams und Drohnenaufnahmen der Steinhauser Hütte

https://youtu.be/vE8N5rZAbRs

Mehr Infos: http://www.lwl-landesmuseum-herne.de

LWL-Museum für Archäologie und Kultur, Europaplatz 1, 44623 Herne, Tel. 02323 94628-0

Teilansicht von Gewölben in der Südansicht der Steinhäuser Hütte mit Blick nach Westen: Die Vielzahl erhaltener Gewölbe und Schächte lässt die ursprüngliche Bautiefe nur erahnen. (Stand: 2018).<br>Foto: Archäologie am Hellweg eG

Teilansicht von Gewölben in der Südansicht der Steinhäuser Hütte mit Blick nach Westen: Die Vielzahl erhaltener Gewölbe und Schächte lässt die ursprüngliche Bautiefe nur erahnen. (Stand: 2018).
Foto: Archäologie am Hellweg eG

Blick auf die Ausgrabungsfläche im Südbereich (Stand: 2018) Ein Film in der Ausstellung macht die Maßstäbe anschaulich.<br>Foto: Archäologie am Hellweg eG

Blick auf die Ausgrabungsfläche im Südbereich (Stand: 2018) Ein Film in der Ausstellung macht die Maßstäbe anschaulich.
Foto: Archäologie am Hellweg eG

3D-Rekonstruktion des Puddelwerks: Im vorderen Bildteil die Puddelöfen, in denen der Stahl in mühsamer Handarbeit angerührt wurde, hinter den Bögen das Walzwerk mit zwei Dampfhämmern zur Verarbeitung des hergestellten Stahls.<br>Foto: ArchimediX, Ober-Ramstadt

3D-Rekonstruktion des Puddelwerks: Im vorderen Bildteil die Puddelöfen, in denen der Stahl in mühsamer Handarbeit angerührt wurde, hinter den Bögen das Walzwerk mit zwei Dampfhämmern zur Verarbeitung des hergestellten Stahls.
Foto: ArchimediX, Ober-Ramstadt

Im beginnenden Eisenbahnzeitalter gehörten Schienen zu den wichtigsten Produkten der Steinhauser Hütte.<br>Foto: LWL/Ph. Harms

Im beginnenden Eisenbahnzeitalter gehörten Schienen zu den wichtigsten Produkten der Steinhauser Hütte.
Foto: LWL/Ph. Harms

4,10 Meter lang sind die Schienen, gefertigt in der Steinhauser Hütte, die das LWL-Museum ab dem 20. Juni neben anderen Erzeugnissen zeigt.<br>Foto: LWL /Ph. Harms

4,10 Meter lang sind die Schienen, gefertigt in der Steinhauser Hütte, die das LWL-Museum ab dem 20. Juni neben anderen Erzeugnissen zeigt.
Foto: LWL /Ph. Harms

Der Stein ist Teil der Auskleidung eines Ofens. An der Wand setzt sich beim Schmelzprozess Schlacke ab, in diesem Fall in Form von Glas.<br>Foto: LWL/ L. Mentzl

Der Stein ist Teil der Auskleidung eines Ofens. An der Wand setzt sich beim Schmelzprozess Schlacke ab, in diesem Fall in Form von Glas.
Foto: LWL/ L. Mentzl

Die Bierflasche stammt von der Kronen Brauerei A.G. in Witten. Sie zeigt einerseits den hohen Bedarf an Flüssigkeit, andererseits dass Alkoholkonsum bei den Stahlarbeitern weit verbreitet war.<br>Foto: LWL/ L. Mentzl

Die Bierflasche stammt von der Kronen Brauerei A.G. in Witten. Sie zeigt einerseits den hohen Bedarf an Flüssigkeit, andererseits dass Alkoholkonsum bei den Stahlarbeitern weit verbreitet war.
Foto: LWL/ L. Mentzl

Pressekontakt

Dr. Carolin Steimer, Tel.: 0251 591-8946 und Frank Tafertshofer, Tel.: 0251 591-235

presse@lwl.org

LWL-Museum für Archäologie und Kultur Herne

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44623 Herne Karte und Routenplaner

Der LWL im Überblick

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.

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