31.03.23 | Kultur Der ewige Teppich - Import, Innovation, Industrie
Neue Ausstellung im Textilwerk
Kurator Martin Schmidt (l.) und Museumsleiter Dr. Hermann Stenkamp vor einem der vielen Exponate in der Ausstellung "Der ewige Teppich".
Foto: LWL / Harms
Die Schau zeigt mit über 400 Exponaten die innovative Technik hinter dem industriellen Massengut und erzählt "nebenbei" auch eine deutsch-deutsche Geschichte. Denn die Produktion wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Vogtland, wo sich 1880 die erste maschinelle Teppichfabrik ansiedelte, in den Grenzraum zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Daneben setzt das LWL-Museum in der Ausstellung persönliche Teppichgeschichten in Szene, die Gäste schon im Vorfeld übermittelt haben und auch noch während der Laufzeit der Ausstellung bis zum 29. Oktober 2023 beisteuern können.
Hintergrund
Sogenannte "Orientteppiche", in Europa seit dem Mittelalter dem Adel und dem gehobenen Bürgerturm vorbehalten, begeisterten seit der Weltausstellung in London 1851 eine wachsende Käuferschicht. "Um die Nachfrage decken und den Import steigern zu können, investieren europäische Unternehmer in den Aufbau manufakturähnlicher Strukturen in Westasien, um dort 'Orientteppiche' fertigen zu lassen", erklärt Martin Schmidt, wissenschaftlicher Referent im Textilwerk. Um 1900 begann in Europa die Produktion von mechanisch gewebten Teppichen, die die tradierten Muster nachahmen. Eine neue Industrie entstand - "auch hier im Grenzraum Bocholts zu den Niederlanden", weiß Schmidt. Die Erzeugnisse dieser europäischen Industrie waren deutlich preiswerter als ihre Vorbilder, doch sie erreichten nicht die scheinbare Individualität und Originalität "echter orientalischer Teppiche". Unter diesen verstand die wachsende Kundschaft vor allem Knüpfteppiche.
Hier setzte die Erfolgsgeschichte des Orientstickteppichs ein: "Erst die technische Innovation des maschinellen Teppichstickens aus den 1920er Jahren machte es möglich, Produkte herzustellen, die den traditionell gefertigten Teppichen aus kunstgewerblicher Sicht sehr ähnlicher waren", erklärt Kuratorin Marie Helbing. Als "Perser aus Deutschland" beworben, machten sie die Teppichfabrikzentrale AG (Leipzig), die Tefzet, mit ihrem Produktionszentrum in Oelsnitz vor dem Zweiten Weltkrieg zum größten Teppichkonzern in Deutschland mit Nachfolgefirmen in Ost und West. Vor 1946 wurden rund 80 verschiedene Dessins von der Tefzet-AG entworfen und gefertigt - die meisten davon inspiriert von den Vorbilden aus dem Orient.
1948 gingen die Werke in Oelsnitz im späteren Volkseigenen Betrieb (VEB) Halbmond-Teppiche auf. In der Bundesrepublik baute der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Tefzet-AG, Paul Dürrschmidt, zu diesem Zeitpunkt bereits eine eigene Orientstickproduktion nach dem Vorbild seines ehemaligen Unternehmens auf - im Grenzraum zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
"Zeig uns Deinen Teppich! Erzähl uns Deine Geschichte!"
Unter diesem Motto präsentiert das LWL-Museum in der Spinnerei persönliche Teppichgeschichten in der Mitte des Ausstellungsraums. Zum Beispiel die Erinnerung eines Jungen, der den größten Ärger mit seiner Mutter bekam, weil er am Schmuckstück im Wohnzimmer die Fransen abschnitt, oder die Geschichte eines Malers, für den der Stickteppich im Lieferwagen ein Schatz ist, weil bei dem engen Flor keine Farbe einzieht. Die Präsentation ruft dazu auf, dem Museum weitere Teppichgeschichten zu hinterlassen: in der Ausstellung, aber auch digital in den Sozialen Medien: #Teppichgeschichten @textilwerkbocholt.
Eröffnung
Bei der Eröffnung am Sonntag (3.4.) um 11 Uhr begrüßt Gertrud Welper, stellvertretende Vorsitzende der LWL-Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe, die Gäste. Nach einem Grußwort von Bürgermeister Thomas Kerkhoff steht eine Talkrunde zur Ausstellung auf dem Programm. Mit dabei sind unter anderem Dr. Kirsten Baumann, Direktorin der LWL-Museen für Industriekultur, Kuratorin Marie Helbing. Für die musikalische Gestaltung des Vormittags sorgt das "Trans-Oriantel-Trio". Der Eintritt ist frei.
Begleitveranstaltungen
Purer Luxus! Mit einem Glas Sekt auf dem Teppich bleiben!
Kurator:innenführung durch die Ausstellung "Der ewige Teppich"
Ein besonderer Abend, an dem nichts unter den Teppich gekehrt wird. Erleben Sie nach einem Glas Sekt die Geschichten und Geschichte einer Ausstellung.
Do, 20.4. / 15.6. / 17.8. /19.10., jeweils 18 - 20 Uhr
Museumseintritt
Mit dem Teppich in das Reich der Fantasie
Märchenlesung für Kinder zwischen Wunderlampe und fliegendem Teppich für Kinder zwischen sechs und acht Jahren mit Mitmachprogramm und einer Reise durch die Ausstellung.
Eine Kooperation mit der Stadtbibliothek Bocholt
25.05.2023 15.30 Uhr (ca. 2 Stunden)
Eintritt: 3 Euro
Der fliegende Teppich
Sommerferienspiele
Mo, 31.7. - Fr, 4.8. jeweils 9 - 16 Uhr
Können Teppiche fliegen? Die Teilnehmer:innen schauen mal nach in der Ausstellung mit vielen bunten Perserteppichen - und nehmen Platz auf weichen Teppichen, hören Geschichten, entspannen und reisen in Gedanken in ferne Länder. Und wie ist so ein Teppich gemacht? Die Gruppe schaut hin und probiert es selber aus: Dabei können die Teilnehmer:innen auch ihren eigenen Namen knoten?
Die Teilnahmegebühr für fünf Tage für Kinder von acht bis elf Jahren beträgt 60 Euro inkl. Material und Mittagessen (Geschwisterkinder 55 Euro). Anmeldung über die Homepage erforderlich
Der blutrote Teppich - von Mördern und Piloten
Ein Abend mit dem Filmwissenschaftler Peter Ellenbruch in der Ausstellung mit vielen Filmzitaten, einem Kurzfilm und einem Teppichkrimi in ganzer Länge
31.08.2023 19 Uhr
Eintritt: 60 Euro (ermäßigt 3 Euro)
Mit dem Teppich in das Reich der Wunder
Märchenlesung für Kinder zwischen Wunderlampe und fliegendem Teppich für Kinder zwischen sieben und zehn Jahren mit Mitmachprogramm und einer Reise durch die Ausstellung.
14.09.2023 15.30 Uhr (ca. 2 Stunden)
Teilnahme: 3 Euro
Der ewige Teppich inklusiv
Führung für hörende und gehörlose Gäste durch die Sonderausstellung
So, 17.9. 14 - 15 Uhr
Museumseintritt
Read & Eat meets Textilwerk
Eine Veranstaltung der Stadtbibliothek und der VHS Bocholt. Die Teilnehmer:innen erleben nach einem geführten Blick in die Ausstellung köstliche Literatur rund um den Teppich und genussvoll Spezialitäten zum Reinbeißen und Schlürfen.
22.09.2023 19.30 Uhr
Eintritt: 9 Euro (inkl. Verkostung)
Der ewig Teppich
Import, Innovation, Industrie
Textilwerk Bocholt
2.4. bis 29.10.2023
Geöffnet Di - So 10 - 18 Uhr
textilwerk.lwl.org
Blick in die Ausstellung über Orientstickteppiche, die Sonntag (2.4.) in der Spinnerei des Textilwerks in Bocholt eröffnet wird.
Foto: LWL / Harms
Auch einige Kleidungsstücke gehören zur Inszenierung. Sie vermitteln ein Stück Zeitgeist aus den Jahren, in denen "Perser aus Deutschland" modern waren.
Foto: LWL / Harms
Blick in den Sticksaal des Tefzet-Werks in Oelsnitz, 1930er Jahre.
Foto Sammlung Museen Schloss Voigtsberg
Teppich "Mikado" aus der Produktion von Besmer / Hameln, 1970er Jahre.
Foto: LWL
Titelbild des Tefzet-Orientstickteppich-Katalogs, um 1930.
Foto: Sammlung Museen Schloss Voigtsberg
Pressekontakt
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Tel. 0251 591-235 Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Tel. 0231 6961-127
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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