28.01.21 | Kultur "Archäologischer Hotspot" im Wesertal
LWL-Archäologen finden Siedlung und Grabanlage in Porta Westfalica
Der Graben als Hügeleinfassung des bronzezeitlichen Grabes stellt sich als dunkele Verfärbung dar. Am linken Grabende markierten zwei Pfosten (hier sichtbar als dunkle Kreise) zusätzlich das Grab.
Foto: AAB-Archäologie/Jasmin Rüdiger
Als die LWL-Archäologen einen Blick in die historischen Quellen zum Gelände rund um das Gewerbegebiet am Kirchweg warfen, war ihnen schnell klar, dass hier Bodendenkmäler zu vermuten sind. Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen: "Dort, wo die Weser durch das Wiehen- und Wesergebirge bricht, liegt ein echter archäologischer Hotspot." Das Wesertal bei Minden ist seit über 7.000 Jahren besiedelt. Bei Porta Westfalica stößt es auf fruchtbare Böden, die ebenfalls bereits in den Jahrhunderten vor Christi Geburt beackert wurden.
"Diese einzigartigen Spuren der Vergangenheit durften auf keinen Fall verlorengehen", erklärte Spiong. Um herauszufinden, in welcher Fülle sie vorkommen, machten LWL-Archäologinnen zur Auflage, das 80.000 Quadratmeter große Areal zunächst in langen Suchschnitten zu untersuchen.
Ein Sprecher der Firma Grohe, zukünftiger Mieter in dem Gewerbegebiet, erklärte, an erster Stelle stehe der Erhalt und die Dokumentation der Funde. Man habe sich mit den LWL-Archäologinnen und Archäologen abgestimmt, dass Fundstellen überdeckt und so erhalten bleiben können.
Auf diese Weise gewinnen die Planerinnen Zeit und haben die Möglichkeit, erste Bauarbeiten durchzuführen, während auf einigen Teilflächen weiterhin Archäologen ihrer Arbeit nachgehen. Grabungsleiterin Jasmin Rüdiger: "Zum einen haben wir in der Region an der Porta Westfalica zum ersten Mal eine Siedlung des sechsten Jahrhunderts entdeckt, zum anderen stießen wir erstmals in Porta Westfalica auf eine bronzezeitliche Grabanlage mit einem sogenannten Langbett, einem langrechteckigen Grabhügel."
Dank der reichhaltigen Befundlage hat das Grabungsteam die Möglichkeit, das Verhalten der Siedlergemeinschaft in der Völkerwanderungszeit genauer zu studieren. Bisher bekannt ist: Im sechsten Jahrhundert lebte auf dem Gelände eine Gemeinschaft aus mindestens drei Familien für etwa ein bis zwei Generationen. Rüdiger: "Länger hielten die Holzhäuser mit den Holzpfosten im Boden damals nicht. Wahrscheinlich blieben die nachfolgenden Generationen in der Region und errichteten im weiteren Umfeld neue Höfe." Besonders schöne Funde stellen zwei bronzene Broschen dar: eine kleine vogelförmige Fibel und eine weitere mit zwei im Stil der Zeit dargestellten Tierfiguren.
Das über 3.000 Jahre alte Grab weist auf einen Menschen hin, dessen Familie in der Region damals eine gehobene Stellung innehatte. Allein der Aufwand für die Herstellung des Grabhügels, der von einem kleinen Graben eingefasst war, aber auch Beigaben wie Keramik, Feuersteingeräte - zum Teil wahrscheinlich nur die erhaltenen Überreste vom mitgegebenen Pfeil und Bogen - aber auch Ocker zum Färben der Haut oder Kleidung betonen den Status der hier bestatteten Person.
Die Grabungsleiterin Jasmin Rüdiger zeigt die Lage der Pfeilspitzen im Grab.
Foto: LWL/ S. Spiong
Grabungsmitarbeiter Pawei Musial zeichnet die angeschnittenen Gruben der Völkerwanderungszeit im Profil.
Foto: LWL/ S. Spiong
Auch in der Bronzezeit werden Geräte noch aus teilweise aus Stein hergestellt: Grabungsleiterin Jasmin Rüdiger präsentiert eine Auswahl an Feuersteingeräten aus dem bronzezeitlichen Grab.
Foto: LWL/ S. Spiong
Verzierung der Völkerwanderungszeit. Keramik mit der typischen Verzierung des 6. Jahrhunderts.
Foto: LWL/ S. Spiong
Andrea Goernemann, Mitarbeiterin im Grabungsteam, präsentiert die beiden völkerwanderungszeitlichen Prunkfunde: links eine Brosche mit zwei stilisierten Tierfiguren, rechts eine gegossene Gewandnadel im Form eines Vogels.
Foto: LWL/ S. Spiong
Pressekontakt
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Dr. Carolin Steimer, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-3504
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