15.04.20 | Jugend und Schule Digitales Lernen in Zeiten der Corona-Krise
Erprobter Alltag am LWL Berufskolleg in Hamm und Modell für die Schule der Zukunft
Erprobter Alltag am LWL Berufskolleg in Hamm und Modell für die Schule der Zukunft.
Foto: LWL
Herr Büker, Schulen stellen ihren Unterricht zurzeit auf digitale Angebote um. Ist das eigentlich von heute auf morgen möglich?
Büker: Ich bin da skeptisch. Von heute auf morgen ein sinnvolles digitales Angebot aus dem Boden zu stampfen, das ist nicht einfach, das braucht Zeit, engagierte Kolleginnen und eine gute Lernplattform. Das war für uns ein langer, steiniger Weg. Letztlich konnten wir aber die Kollegen, die Schulaufsicht und das Ministerium überzeugen. Studierende für diese Form des Lernens zu gewinnen war dagegen gar kein Problem.
Wird die aktuelle Corona-Krise langfristige Auswirkungen auf die Gestaltung von Unterricht haben? Wenn ja, was wird sich ändern?
Büker: Die aktuelle Krise wird das digitale Lernen nach vorne bringen. Und zwar nicht erst in einigen Jahren, sondern unmittelbar. Es wird künftig zum integralen Bestandteil des Unterrichts werden - nicht als aus der Not geborenes, kleineres Übel sondern als hoch effizientes Lehr- und Lernangebot.
Was wird dafür notwendig sein? Was brauchen Schulen, um hier erfolgreich sein zu können?
Büker: "Schulen und Schülerinnen ebenso wie die Lehrer benötigen die notwendige Ausstattung mit Hardware: Laptops, I-Pads usw.. Das ist die Grundvoraussetzung. Der Digitalpakt kann hier gute Bedingungen schaffen, betont aus meiner Sicht aber zu sehr die Ausstattung mit Hardware. Die Software ist nur förderfähig, wenn sie zur Inbetriebnahme der angeschafften Hardware notwendig ist. Das reicht aber nicht, für gutes digitales Lernen braucht man spezielle Software.
Was sollte die Software aus Ihrer Sicht leisten?
Büker: Letztlich geht es in der Schule um die Vermittlung von Kompetenzen. Alle Kompetenzen, die über herkömmlichen Unterricht vermittelt werden sollen, können - das zeigt unsere Erfahrung - auch über ein gut durchdachtes E-Learning-Angebot transportiert werden. Die bedeutsamen Themen und Inhalte ihr Bezug zu Richtlinien und Lehrplänen, ihr Praxis- und Berufsbezug lassen sich ausgezeichnet herstellen. Derartig aufbereiteter Unterricht benötigt die passende Software. Das sind zum Beispiel Programme, mit denen in der Jugendhilfe Hilfeplanungsprozesse dokumentiert werden oder pädagogisch wertvolle Spiele, die über das Netz vorgestellt werden könnten. Diese Software ist im digital Pakt nicht förderfähig, das sollte sich ändern.
Gibt es weitere Funktionen, die über ein derartiges System abgedeckt werden sollten?
Büker: Ja, selbstverständlich: So ist individualisiertes Lernen zum Teil besser abbildbar als im klassischen - oft nur auf die ganze Gruppe ausgerichteten - Unterricht in einer Lerngruppe. Und selbstverständlich sind auch soziale Lernformen über Foren und Diskussionen ebenso möglich wie kooperierendes Arbeiten in WIKIs. Es ist nicht unüblich, dass gemeinschaftliche Gruppenarbeiten von unterschiedlichen Orten aus gemacht werden - die Entfernungen spielen dabei dann keine Rolle. Und digitales Lernen ist in der Regel aktuell, vor allem aktueller als Schulbücher, die schon seit Jahren im Bestand der Schulen sind.
Gibt es überhaupt keine Nachteile?
Büker: Sicher, "Face-to-Face"-Beziehungen, erfahrungsorientiertes Lernen und gruppenbezogene Erfahrungen können ebenso wenig ersetzt werden wie die Betreuung in schulischen Ganztagsangeboten. Um E-Learning erfolgreich zu gestalten, werden auch die häuslichen Umgebungen eine wichtige Rolle spielen, hier darf es nicht zu einer Schere zwischen arm und reich kommen. In meiner ganzen Schulzeit hat mich ein dicker Atlas begleitet, den ich von der Schule bekommen habe. Heute müsste jedes Kind einen Laptop bekommen, der es ebenso kostenlos begleitet. Wenn nicht alle Kinder dieses Minimum an digitaler Infrastruktur haben, kann es keine Chancengleichheit geben.
Aber trotzdem ein Plädoyer für digitale Lernangebote?
Büker: Ja klar, aber nicht alleine, in Kombination mit dem Lernen an der Schule, als gemischtes Lernen, als sogenanntes Blended Learning. Dann werden die Vorteile beider Lernangebote miteinander verbunden.
Hintergrund:
Digitales Lernen als Blended Learning am LWL Berufskolleg - Fachschulen Hamm
Blended Learning bedeutet 'Gemischtes Lernen': Gemischt werden dabei die Präsenzphasen des Lernens, die vor Ort in Hamm stattfinden, mit den Distanzlernphasen, also den Phasen des Lernens, die überwiegend online stattfinden. Die Lernplattform bzw. das Lernmanagementsystem bietet die Basis für die Distanzlernphasen. Inhalte werden über individuell und motivierend gestaltete Themenseiten (Texte, Links, Videos, Bildanimationen uvm.) zugänglich gemacht, die Studierenden tauschen sich über Foren und Chats aus, können über WIKIS gemeinsame Gruppenthemen bearbeiten, stellen bearbeitete Aufgaben in Abgabeordner und erhalten von den Unterrichtenden individuelle Rückmeldungen.
Durch dieses Konzept wird eine passgenaue Mischung des Lernens erreicht, die es Studierenden ermöglicht, selbstbestimmt und erwachsenenorientiert ihre berufliche Weiterentwicklung zu gestalten.
Bildungsangebot des LWL Berufskollegs - Fachschulen Hamm:
Fachschulen für Sozialpädagogik, Heilerziehungspflege, Heilpädagogik, Motopädie
Aufbaubildungsgänge 'Offener Ganztag', 'Fachkraft für inklusive Bildung und Erziehung'
Internet: http://www.lwl-berufskolleg.de
Pressekontakt
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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