02.05.19 | Kultur Raubbau. Rohstoffgewinnung weltweit
Neue Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall
Schaufelradbagger im rheinischen Braunkohlentagebau Garzweiler.
Foto: Sebastian Mölleken
Vom Kleinbergbau nach Zinn im Kongo, von jungen Goldschlammtauchern auf den Philippinen, von der Sandgewinnung am Victoriasee in Uganda oder dem Lithiumabbau in Chile und Bolivien - Fotografien von Abbaugebieten in aller Welt zeigen Raubbau bei der Rohstoffgewinnung. Verschiedene Mineralien und die daraus hergestellten Produkte - von der Batterie eines Elektroautos bis zum Zahnimplantat - sind zu sehen.
Die Ausstellung "Raubbau" ist Teil des Verbundprojektes "Alles nur geklaut? Die abenteuerlichen Wege des Wissens" mit insgesamt sechs Ausstellungen an verschiedenen Standorten des LWL-Industriemuseums (allesnurgeklaut.lwl.org). "In Witten knüpfen wir thematisch an die Bergbaugeschichte der Region an, richten den Fokus aber auf die globalen Dimensionen und Folgen der Rohstoffgewinnung heute. Die Ausstellung widmet sich einem gesellschaftlich hochaktuellen Thema, das uns alle angeht", erklärte Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums, am Donnerstag (2.5.) bei der Vorstellung der Schau in Witten.
Vor über 200 Jahren waren im Ruhrbergbau schnelle Gewinne durch einen unvollständigen und unsachgemäßen Abbau einer Kohlenlagerstätte üblich. Mit den Worten "Jeder tut was er will" kritisierte Oberbergrat Friedrich Wilhelm Graf von Reden damals den "Raubbau". "Der aus dem Bergbau stammende Begriff beschreibt ein Verfahren, das auf kurzfristige Gewinnmaximierung abzielt. Heute meint Raubbau die Übernutzung von endlichen Ressourcen, die im Groß- und Kleinbergbau gewonnen werden, sowie umwelt- und gesundheitsgefährdende Abbauweisen", erklärt LWL-Museumsleiter Michael Peters.
Hintergrund
Moderne Technikgeräte werden stetig kleiner, ihre Bestandteile immer komplexer. So setzte sich ein Computerchip in den 1980er Jahren noch aus elf Elementen des Periodensystems zusammen. Heute wird die sechsfache Anzahl zur Herstellung benötigt. Insbesondere die Elektroindustrie braucht immer außergewöhnlichere Minerale, die sogenannten "Seltenen Erden". Metalle wie Tantal machen Knochennägel und andere Medizinprodukte robust und langlebig. Aktuell steigt der Bedarf an Lithium und Kobalt für Elektroautos. 15 bis 20 Prozent aller mineralischen Rohstoffe stammen heute aus dem Kleinbergbau und werden in den Minen meist mit einfachsten Mitteln und unter gefährlichen Bedingungen abgebaut. "Aktuelle Schätzungen gehen weltweit von über 40 Millionen Menschen aus, die auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdienen oder aufbessern, darunter eine Million Kinder", erläutert Ausstellungskurator Stephan Nies.
Die meisten Rohstoffe kommen aus industriellen Bergwerken, großen Tagebauen und von Bohrplattformen auf den Weltmeeren. Für den großflächigen Tagebau von Braunkohle, Steinkohle, Kupfer oder Uran werden Menschen umgesiedelt. Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung sind an der Tagesordnung. Staub und Emissionen machen viele Anwohner krank.
Wie kann ein fairer Abbau aussehen? Ist die Rückgewinnung von Aluminium aus alten Elektrogeräten oder der Ersatz von mineralischen durch nachwachsende Rohstoffe eine Lösung? Die wachsende Bevölkerungsrate und steigende Nachfrage nach medizinischen, technischen und alltäglichen Produkten wirft die Frage nach umweltschonenden Alternativen zum "Raubbau" auf. Immer mehr Unternehmen reagieren auf die Ressourcenknappheit und setzen auf Recycling oder alternative Rohstoffe. Zahnbürsten aus Bambus, Goldschmuck aus fairer Produktion oder Smartphones aus wiederverwertbaren Materialen sind in der Ausstellung zu sehen. Ebenso werden Projekte wie das internationale Fairmined-Netzwerk, Forschungen für kobaltfreie Batterien oder Initiativen wie das Repaircafé vorgestellt.
"Die Ausstellung macht den Zusammenhang zwischen einer wachsenden Weltbevölkerung und dem steigenden Energie- und Rohstoffhunger deutlich. Jeder einzelne ist am Ende aufgefordert, Stellung zu beziehen und sich zu den aufgeworfenen Problemen internationaler Rohstoffwirtschaft zu äußern", erklärt Monika Schnieders-Pförtzsch, stellvertretende Vorsitzender der LWL-Landschaftsversammlung. Sie wird die Gäste bei der Eröffnung am Sonntag (5.5.) um 14 Uhr begrüßen. Gäste sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei.
Begleitprogramm (Auswahl)
6. Juni 2019 | 18.30 Uhr
Filmvorführung: "Welcome to Sodom. Dein Smartphone ist schon hier." Dokumentarfilm, 92 Min. Wenn Monitore, Fernseher und Handys nicht mehr funktionieren, landen sie auf einer gigantischen Mülldeponie in Ghana. Freier Eintritt
25.-27. Juli 2019 | 14-20 Uhr
"Waste Attack". Upcycling mit Almut Rybarsch-Terry. Für Interessierte von 16 bis 20 Jahren. Kosten: 30 Euro pro Teilnehmer inkl. Imbiss. Anmeldung bis 7. Juli 2019
17. August 2019 | 13-17 Uhr
Kohlezeit. Geführte Wanderung durch das Muttental. Kosten: 10 Euro pro Teilnehmer, inkl. Eintritt. Anmeldung bis 15. August 2019
10. Oktober 2019 | 18.30 Uhr
Filmvorführung: "WorkingmanÂ�s death". Dokumentarfilm, 122 Min. Männer arbeiten in illegalen Minen in der Ukraine, chinesische Stahlarbeiter träumen von einer glorreichen Zukunft. Ist körperliche Schwerstarbeit im 21. Jahrhundert unsichtbar geworden? Freier Eintritt
17. Oktober 2019 | 18.30 Uhr
Rohstoffe aus dem Meer. Chancen und Risiken eines zukünftigen Abbaus in der Tiefsee? Vortrag von Sven Petersen, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Freier Eintritt
Raubbau. Rohstoffgewinnung weltweit
5. Mai bis 15. Dezember 2019
LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall,
Nachtigallstraße 35, 58452 Witten
Geöffnet Di-So 10-18 Uhr
Kinder stehen bei der Goldgewinnung in einem Fluss auf den Philippinen stundenlang im Wasser, 2015.
Foto: Human Rights Watch/Mark Z. Saludes
Mit bloßen Händen bauen Arbeiter Zinn im Walikale-Gebiet in der Demokratischen Republik Kongo ab (2007).
Foto: Mark Craemer
Manuelle Goldgewinnung bei Dunkwa in Ghana, 2006.
Foto: Andreas Barth
Beim "Fairphone 2" des Amsterdamer Sozialunternehmens Fairphone B.V. sind die Einzelteile austauschbar. Damit lassen sich Geräte modernisieren und reparieren, anstatt sie ganz ersetzen zu müssen.
Foto: flickr
Einmal im Monat kommen im "Repaircafé" in Witten Menschen aus der Nachbarschaft zusammen, um Toaster zu reparieren, Fahrräder wieder in Gang zu setzen oder Pullover zu stopfen.
Foto: Sebastian Becker
Dirk Zache, Michael Peters und Stephan Nies (v.l.) bei der Vorstellung der Ausstellung "Raubbau", die Sonntag im LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall in Witten eröffnet wird.
Foto: LWL / Hudemann
Pressekontakt
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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