30.04.18 | Kultur LWL zeichnet das "Landhaus Ilse" in Burbach als Denkmal des Monats aus
Gesamtansicht des "Landhauses Ilse" von Westen in Jahr 2012.
Foto: LWL
"Versteckt hinter regionaltypischen Attributen wie Eternitverkleidung und sprossierten Kastenfenstern fristete der Bau, der mit seiner ungewöhnlichen Form so gar nicht zu diesen Stilblüten passen will, lange Zeit ein Dasein fernab der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit", sagt LWL-Denkmalpfleger Tobias Venedey. "Erst 2001 als das Haus verkauft wurde, hat sich die neue Eigentümerin dafür eingesetzt, dass der Denkmalwert des Hauses überprüft wurde. Dabei wurde nach und nach die Bedeutung des ungewöhnlichen Baus deutlich, und die Gemeinde Burbach hat das Haus in die Denkmalliste eingetragen."
Das als Atriumhaus mit überhöhtem Mittelbau konzipierte Gebäude wurde nach jetzigem Wissensstand 1924 als Gästehaus der "Grube Sachtleben AG" der Westerwald-Brüche AG gebaut. Nach dem Niedergang des Betriebes erstritt sich 1927 dessen ehemaliger Direktor Friedrich Willi Gustav Adolf Grobleben (1883 - 1964) das Gästehaus als Abfindung, das er bis zu seinem Tod 1964 bewohnte. Das heute als "Landhaus Ilse" bekannte Gebäude blieb bis zum Tod der namensgebenden Tochter Groblebens im Jahr 2000 in Familienbesitz.
"Weil sowohl Ilse als auch ihre Eltern ein recht zurückgezogenes Leben führten, ist das Gebäude nahezu unverändert erhalten. Der darauffolgenden Eigentümerin ist es nicht nur zu verdanken, dass das Haus, für das es auch Abbruchpläne gab, heute noch vorhanden ist, sondern auch dass sie dringend erforderliche Reparaturen ausgeführt hat und dass das Haus 2001 in die Denkmalliste eingetragen werden konnte", lobt Venedey.
Hintergrund
Das Besondere an dem Haus ist laut Venedey nicht nur das Alter und die ungewöhnliche Bauform des Gebäudes oder seine vollständig erhaltenen, bauzeitlichen Wandfassungen, sondern die Tatsache, dass es die einzige bekannte Kopie des Musterhauses "Am Horn" in Weimar ist. "Die Übereinstimmungen zwischen beiden Bauten sind mehr als verblüffend. Bis auf eine in Burbach nachträglich entfernte Trennwand und geringe Abweichungen in der Positionierung von Türöffnungen gleichen sich die Grundrisse der beiden quadratischen Bauten bei nahezu identischen Dimensionen", erklärt Venedey. "In Burbach wurden die geordnete Struktur und die Funktionalität des Bauhausentwurfs übernommen, die schlichte Ästhetik im Äußeren mit klaren Formen und nüchternen Fensterbändern aber nicht."
Trotz intensiver Recherchen und öffentlicher Aufrufe konnten die LWL-Denkmalpfleger bislang keine weiteren Informationen zur Baugeschichte des Burbacher Bauhausklons finden. "Dies ist umso bedauerlicher, als es aus heutiger Sicht absolut unbegreiflich erscheint, wie in den 1920er-Jahren ein architektonischer Avantgardeentwurf, der ohne bekannte Nachfolger blieb, innerhalb kürzester Zeit seinen Weg in das zwar preußische, aber dennoch von Weimar weit entfernte Siegerland fand", so Venedey.
Die Abweichungen von dem idealisierten Prototypen in Weimar zeigen, wie die neuen Ideen in ihrer Zeit bereits übernommen und weitergeführt wurden. Dies gilt auch für die mitunter recht farbgewaltigen Wandgestaltungen im Inneren des "Landhauses Ilse", die sich mit der weit verbreiteten Vorstellung einer nüchtern-sachlichen Bauhausarchitektur nicht in Einklang bringen lassen. Auf die Farbenlehre des Bauhauses sind auch die nur wenig später entstandenen Meisterhäuser in Dessau mit ihrer ausdrucksstarken Farbgebung zurückzuführen. Damit lässt sich im Burbacher Haus die unterschiedlich einfarbige Erstfassung gut vergleichen, die in verschiedenen Räumen nachweisbar ist. Die Zweitfassung, die der Umnutzung des ehemaligen Gästehauses als Privatwohnsitz durch Grobleben im Jahr 1927 zuzuordnen ist, weicht mit den vertikalen, kontrastierenden Streifenmustern und minimalistischen Ornamentrapporten bereits deutlich davon ab. Bei einer Voruntersuchung im Frühjahr 2018 haben die Restauratoren Musterbücher dieser Zeit ausfindig gemacht, in denen sich solche Dessins wiederfinden. Grobleben war also gestalterisch absolut auf der Höhe der Zeit.
"Im September 2016 ging das "Landhaus Ilse" durch Schenkung in das Eigentum der Gemeinde Burbach über." Die Gemeinde möchte das Gebäude einer sinnvollen, möglichst öffentlichen Nutzung zuführen. Zur Zeit entwickeln Architekturstudierende der Universität Siegen Nutzungskonzepte für das Haus.
Im Jahr 2001 war das Haus noch mit Eternit verkleidet, seine Bedeutung war damals noch nicht bekannt.
Foto: LWL/Nieland
Blaues Zimmer mit Resten der grünen Fassung von 1924.
Foto: LWL/Nieland
Links: Grundriss Haus "Am Horn", Weimar (1923). Rechts: Grundriss "Landhaus Ilse", Burbach (1924).
Foto: LWL/Venedey
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