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18.12.17 | Kultur Goldschmied am Bielefelder Markt?

LWL-Archäologen entdecken 500 Jahre alte Gussformen

Auf dieser Gussform vom Alten Markt in Bielfeld ist Christus am Kreuz dargestellt, Maria und Johannes stehen rechts und links daneben.<br>Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Corinna Hildebrand

Auf dieser Gussform vom Alten Markt in Bielfeld ist Christus am Kreuz dargestellt, Maria und Johannes stehen rechts und links daneben.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Corinna Hildebrand
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Bielefeld (lwl). Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben beim Reinigen von Grabungsfunden in Bielefelds Innenstadt 500 Jahre alte seltene Gussformen entdeckt, mit denen vermutlich Gold- oder Silbertafeln gegossen wurden.

Von Mai bis November fanden am Alten Markt in Bielefeld archäologische Ausgrabungen statt. Zurzeit sichten Fachleute des LWL die zahlreichen Fundstücke und erwarten durch die Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Laboren wichtige neue Erkenntnisse zur Bielefelder Stadtgeschichte.

Ein besonderer Glücksfall gab sich den Archäologen erst beim Reinigen der vielfältigen Funde zu erkennen: über 500 Jahre alte Bruchstücke von äußerst fein gearbeiteten und sehr seltenen Gussformen aus Ton. "Wir vermuten, dass man mit den Gussformen im 15. Jahrhundert kleine Relieftafeln aus Gold oder Silber gegossen haben könnte", erklärt Grabungsleiter Dr. Bernhard Sicherl. "Mit Hilfe naturwissenschaftlicher Analysen wollen wir nun klären, ob und welche Metallreste sich in den Reliefs der Gussformen nachweisen lassen", so Sicherl.

Auch Holzkohle aus einer Siedlungsgrube wird derzeit analysiert. Sie enthielt Keramik, die aus der Bronzezeit stammen könnte. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode untersuchen Experten an der Universität Köln, ob die Kohlereste tatsächlich bis zu 3.000 Jahre alt sind. "Wenn ja, wäre hier erstmals in Ostwestfalen-Lippe ein gesicherter bronzezeitlicher Siedlungsrest erfasst worden", erklärt Dr. Sven Spiong, Leiter der LWL-Archäologie-Außenstelle Bielefeld.

Nach dem Abschluss der Ausgrabungen folgen nun die wissenschaftliche Aufarbeitung und Dokumentation des umfangreichen Fundmaterials. "Dazu sichten und bestimmen wir unter anderem tausende Keramikscherben. Sobald alle Befunde datiert sind, erstellen wir Übersichtspläne, die die Entwicklung des Stadtteils am Alten Markt darstellen", erklärt die Archäologin Eva Manz. "Auf diese Weise können wir erkennen, wie die Menschen das Gelände zu unterschiedlichen Zeiten aufgeteilt und genutzt haben."

Vom Alltag in Haus und Hof erzählen nicht nur die Scherben von Keramikgefäßen, die damals zum Kochen oder als Trink- und Vorratsgefäße genutzt wurden. Tierknochen und sogar Austernschalen geben Auskunft über Essgewohnheiten in Mittelalter und Neuzeit.

Ungewöhnlich viele Fragmente kostbarer Trinkgläser lassen zudem auf ein gehobenes soziales Milieu am Alten Markt schließen. Funde wie ein kleines Jesuskind aus Pfeifenton erzählen davon, wie die Bielefelder ihren Glauben zuhause ausübten.

Nach Abschluss der Ausgrabungen geht die Arbeit nun in der Werkstatt und am Schreibtisch weiter. "Wir sind aktuell dabei, die zahlreichen archäologischen Funde auszuwerten. Schon jetzt wird deutlich, dass sich unsere Kenntnisse der Bielefelder Stadtgeschichte durch die archäologische Baubegleitung am Alten Markt deutlich erweitern werden", freut sich der LWL-Archäologe Spiong. Trotz umfangreicher Zerstörungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie zahlreicher Bodeneingriffe in jüngerer Zeit berge der Bielefelder Boden ein enormes archäologisches Potenzial.

Die Ausgrabung dieses zentralen Bielefelder Stadtquartiers wurde in Zusammenarbeit von Bauherren, Bau- und Grabungsfirma und LWL in weniger als sieben Monaten baubegleitend abgeschlossen. Es ist geplant, die wissenschaftlichen Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Nach der Grabung folgt der Innendienst: In akribischer Kleinarbeit werden alle Funde begutachtet, datiert und katalogisiert.<br>Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Julia Hallenkamp-Lumpe

Nach der Grabung folgt der Innendienst: In akribischer Kleinarbeit werden alle Funde begutachtet, datiert und katalogisiert.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Julia Hallenkamp-Lumpe

Pressekontakt

Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Dr. Carolin Steimer, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-3504

presse@lwl.org

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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.

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