Münster (lwl). Die Archäologie in Westfalen und Lippe stand 2013 im öffentlichen Interesse: Änderungen des Denkmalschutzgesetzes, Kürzungen der öffentlichen Mittel, spektakuläre Funde und Forschungenein archäologisches und paläontologisches Jahr, das jetzt ausführlich nachgelesen werden kann. Mit ihrem fünften Band feiert die Publikations- reihe ¿Archäologie in Westfalen Lippe¿ des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ein kleines Jubiläum ¿ 81 Autoren berichten in 66 Beiträgen über alle Epochen und Regionen in Westfalen-Lippe.
Die Reihe liefert einen Überblick über die wichtigsten Funde und Befunde des zurückliegenden archäologischen und paläontologischen Jahres. So spannt der neue Band einen Bogen von der Zeit der Flugsaurier bis zum neuzeitlichen Pilgern mit der App reichen und vom Sauer- bis ins Münsterland, von Ostwestfalen bis ins Ruhrgebiet.
Der neue Band der Reihe ¿Archäologie in Westfalen-Lippe¿ ist eine Gemeinschaftspublikation der LWL-Archäologie für Westfalen und der LWL-Altertumskommission für Westfalen. ¿Das archäologische Jahr 2013 und gerade dieser Jahresrückblick zeigen, wie wichtig eine engagierte Zusammenarbeit für die Bewahrung unserer kulturellen Vergangenheit ist¿, betont Prof. Dr. Michael M. Rind, Leiter der LWL-Archäologie für Westfalen. Auch für Dr. Aurelia Dickers als Vorsitzende der LWL-Altertumskommission für Westfalen ist viel erreicht worden. ¿Wir haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Archäologie, Paläontologie und Geschichtswissenschaften lenken können und damit dazu beigetragen, noch mehr Menschen für die Bewahrung unseres kulturellen Erbes zu begeistern.¿
So leitet ein umfassender Blick auf die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes und die damit verbundenen Neuerungen den neuen Band ein: Es geht um die Einführung des so genannten Schatzregals, die Erweiterung des Betretungsrechts, Ergänzungen im Bereich des Verursacherprinzips sowie um den Schutz von Bodendenkmälern unabhängig vom Eintrag in der Denkmalliste.
Im Mittelpunkt des Bandes stehen die wissenschaftlichen Ergebnisse des Jahres 2013. Ob Reste von Flugsauriern, ein neuer Fundplatz der spätpaläolithischen Federmesser-Gruppen oder der früheste Nachweis der ersten Bauern im Siegerland: Selbst den Fachleuten fällt es schwer, aus den insgesamt 284 Seiten Höhepunkte herauszufiltern. ¿Alle Ergebnisse waren durchweg spannend und wichtig¿, sind sich die Herausgeber einig.
¿Archäologie in Westfalen-Lippe 2013" ist in jeder Buchhandlung, in den LWL-Museen in Herne, Haltern und Paderborn sowie im Internet unter http://www.archaeologie-und-buecher.de erhältlich.
Archäologie in Westfalen-Lippe 2013 Herausgegeben von der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen
284 Seiten, broschiert, durchgehend farbig bebildert
Langenweißbach 2014
ISBN 978-3-95741-019-1
ISSN 2191-1207
19,50 Euro
Beiträge und Themen (Auswahl)
Wie fliegende Saurier ins Sauerland kamen, erforschte das LWL-Museum für Naturkunde 2013 im Hönnetal bei Balve. Dort fanden sich die Überreste jener Flugsaurier, die hier vor zirka 121 Millionen Jahren lebten. Die Ergebnisse zeigen: Die Zähne und ihre Schmelzmuster weisen erstaunliche Ähnlichkeiten zu ihren Verwandten aus England, Spanien, Asien, Südamerika und Afrika auf.
In Fröndenberg im Kreis Unna hat sich ein ganz neuer archäologischer Fundplatz aufgetan. Ein freiwilliger Helfer hat seltene Pfeilspitzen entdeckt. Die Artefakte stammen aus der späten Eiszeit und sind mit ihrer spezifischen Form und Gestalt in Mitteleuropa nur selten anzutreffen.
Die Spuren der ersten Bauern entdeckten die Archäologen im Siegerland. Hier half ein Hobby-Forscher den LWL-Archäologen dabei, die seltenen Fundstellen aus der Steinzeit um einen neuen Eintrag zu erweitern. Ein Stein-Artefakt sorgte für Begeisterung unter den Fachleuten: Die Dechselklinge stammt aus der Jungsteinzeit und kam bei den ersten Bauern als Beil oder Hacke zum Einsatz.
Die ältesten Höfe in Paderborn erforschte die dortige LWL-Stadtarchäologie. Die Besiedlung in Paderborn-Wewer begann bereits im 8. Jahrhundert ¿ kurz nachdem Kaiser Karl der Große Paderborn als Ort für seine Pfalz auserkoren hatte. Gleich mehrere Grubenhäuser geben mit vielen spannenden Funden einen Eindruck vom Alltag der Menschen, die hier gelebt und gearbeitet haben.
Die ältesten Eisenschwerter aus Westfalen fand man bereits 1950 auf der Befestigungsanlage auf dem Wilzenberg (Schmallenberg, Hochsauerlandkreis). Nun werden sie im Rahmen eines ganz besonderen Forschungsprojekts durchleuchtet. Mithilfe der Computer-Tomografie gelingt es zu ermitteln, mit welchen Techniken spezialisierte Handwerker im 1. Jh. v. Chr. die Schwerter geschmiedet haben. Daraus lassen sich wertvolle Hinweise auf den sozialen Status ihrer Besitzer gewinnen.
Mittelalterliche Siedlungsspuren auf dem Domplatz hat die Stadtarchäologie in Münster ergründet. Sie hat damit eine für Münster wesentliche Umwälzung archäologisch dokumentiert: Im 12. und 13. Jahrhundert wurde das Gelände der Domburg zur geistlichen Immunität, Bürger und Handwerker zogen sich in andere Bereiche der Stadt zurück. Wie das Gelände aussah, als hier noch die profane Welt ihren Alltag meisterte, davon zeugen Straßenpflaster, Gräben, Pfostenlöcher und Grubenhäuser.
Das erste Weltkulturerbe Westfalens, die Reichsabtei Corvey, wurde auch 2013 archäologisch untersucht. Mithilfe des Airborne Laserscannings konnte ein umfassendes Geländemodell angefertigt werden. Darin verbergen sich Hinweise, wie die Landwirtschaft auf diesem geschichtsträchtigen Gelände betrieben wurde. Hohlwege, Trassen, Gruben für die Materialentnahme: Mit modernsten technischen Methoden machen die Ruhr-Universität Bochum, die Stadtarchäologie und die Stadt Höxter zusammen mit dem LWL vieles aus den vergangenen Jahrhunderten wieder sichtbar.
Dass Archäologie auch Archivarbeit und Zufallsfunde bedeutet, zeigen die Ergebnisse, die in Münster zu Tage kamen. In Vorbereitung auf eine Ausstellung über die 350-jährige Geschichte des ehemaligen Hindenburg- und heutigen Schlossplatzes wurde eine handgeschriebene Kriegschronik gesichtet, die den Fund von Toten im Jahr 1941 offenbarte. Obwohl damals bei den Bauarbeiten eines Löschwasserbeckens keine archäologischen Ausgrabungen durchgeführt wurden, kann auch mehr als 70 Jahre später die Identität der Verstorbenen erforscht werden. Vermutlich handelte es sich sowohl um Seuchenopfer als auch um Soldaten. Hier hatten die Bauarbeiter ¿ ohne es zu wissen ¿ einige von unzähligen Opfern des Siebenjährigen Krieges und seiner turbulenten Ereignisse geborgen.
Mit Besucherrekorden und der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten über die Präsentation des Weltkulturerbes Kloster Corvey, mit dem europaweit einzigen Grabungscamp oder einer Megacity, die mit Uruk zu Gast in Herne war, präsentieren sich auch Ausstellungen in diesem neuen Band. Hier bietet sich den Lesern in elf Beiträgen ein Blick hinter die Museumskulissen.
Achtung Redaktionen:
Das Inhaltsverzeichnis der neuen LWL-Publikation ist als Anlage beigefügt.
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Diese schöne, aus Baltischem Feuerstein gefertigte, 3,9 cm lange Rückenspitze, eine sogenannte Malaurie-Spitze, aus Fröndenberg datiert in die Zeit der späten Federmesser-Gruppen, ist aber bisher in Mitteleuropa nur relativ selten gefunden worden. Foto: LWL
Einige typische mittelneolithische Steinartefakte. Links: große, kantenretuschierte Kernkantenklinge aus belgischem Rullen-Feuerstein; rechts unten: distales Fragment einer weiteren Kernkantenklinge aus Rullen-Feuerstein; rechts oben und Mitte: vier dreieckige, partiell flächig retuschierte Pfeilspitzen aus Baltischem Geschiebe- oder vielleicht hellgrau-belgischem Feuerstein (silex d'Hesbaye, re. u.). Fotos: LWL
Blick von Westen auf den Keller des 12. Jahrhunderts. Foto: LWL
Reich verzierter Knauf der Krefelder Spatha mit dem goldenen Ringpaar. In das goldene Zellwerk sind plangeschliffene Almandine auf einer gewaffelten Goldfolie eingelegt. Die Felder werden durch ebenfalls goldene Perldrähte getrennt. Foto: LWL
Blick Richtung Osten auf einige Grubenhäuser und Pfosten. Die Gräben sind hier nur schwach erkennbar. Foto: Stadtarchäologie Münster/H. Jakobi
Wölbäcker, Pflanz-/Saatkämpe und Abgrabungen am Osthang des Räuschenberges im digitalen Geländemodell. Datengrundlage: ArcTron 3D Grafik: Stadt Höxter
Jugendliche zeigen auf die Reste der Fundstelle der menschlichen Skelettreste. Foto: Sammlung Stadtmuseum Münster/F. Wiemers
Halswirbel (Bruchstück) eines Flugsauriers aus der Grabung des LWL-Museums für Naturkunde im Hönnetal. Foto: LWL
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 21.000
Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen,
20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für
Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten-
und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit
wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen
Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die
Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein
Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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