31.10.14 | Jugend und Schule Anstieg bei Hilfen für seelisch behinderte Kinder ¿besorgniserregend¿
LWL-Jugenddezernent Hans Meyer: ¿Inklusion braucht multiprofessionelle Teams¿
LWL-Jugenddezernent Hans Meyer.
Foto: LWL
Frage: Laut einer Pressemitteilung des statistisches Landesamtes, haben Familien in Nordrhein-Westfalen 2013 mehr Unterstützung im Rahmen der Hilfen zur Erziehung in Anspruch genommen. Gibt es eine auffällige Entwicklung?
Hans Meyer: Insgesamt haben die Jugendämter in NRW im Jahr 2013 in über 250.000 Fällen Familien, Kindern und Jugendlichen Unterstützung gewährt, sei es durch Erziehungsberatung, ambulante oder aber stationäre Hilfen, ein Anstieg. gegenüber 2012 von etwa 2,6 Prozent. Diese Steigerung scheint auf den ersten Blick ausgesprochen moderat zu sein. Bei genauerem Hinsehen aber ergibt sich in einem Bereich eine durchaus besorgniserregende Entwicklung, nämlich bei den Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche. Hier ist eine Steigerung auf knapp 17.800 Fälle festzustellen, das sind 24 Prozent mehr als 2012.
Frage: Wie kommt es zu dem starken Anstieg bei diesen Hilfen?
Hans Meyer: Diese Entwicklung beobachten wir seit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen 2009. Unter dem Stichwort ¿Inklusion¿ soll es Menschen mit Behinderung ermöglicht werden, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Für den Schulbereich bedeutet diese Forderung, dass der Besuch der Regelschule für alle Kinder, gleichgültig ob mit oder ohne Behinderung, der Normalfall wird. Eltern haben zudem das Wahlrecht, ob ihre Kinder mit Behinderungen eine Regel- oder Förderschule besuchen sollen.
Viele Lehrkräfte in Regelschulen fühlen sich nicht ausreichend dafür ausgebildet, mit Kindern umzugehen, die seelisch behindert sind. Ein großer Teil der Hilfen für Kinder mit einer seelischen Behinderung muss daher für eine angemessene Schulbildung aufgewendet werden. Dabei geht es vor allem um die Finanzierung von Integrationsassistenten, also Erwachsenen, die in einer eins zu eins Betreuung Kinder mit einer seelischen Behinderung in die Schule begleiten, damit die Teilnahme am Unterricht auch tatsächlich möglich wird.
Frage: Was ist denn eigentlich eine seelische Behinderung?
Hans Meyer: Diese Kinder zeigen emotionale und oder Verhaltensprobleme. Je nach Erkrankung sind sie z.B. sehr unaufmerksam, stören den Unterricht, sind aggressiv oder benötigen eine besonders verbindliche Struktur im Alltag. Das macht es ihnen schwer, sich in der Klassengemeinschaft zu integrieren und Freundschaften einzugehen. Nach dem Gesetz sind solche Verhaltensprobleme ¿seelische Behinderungen¿ und die Betroffenen haben einen Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn die seelische Gesundheit wahrscheinlich länger als sechs Monate vom alterstypischen Zustand abweicht und dadurch die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt wird.
Frage: Gibt es innovative Lösungen, um die Inklusion von jungen Menschen mit seelischer Behinderung voranzubringen?
Hans Meyer: Gerade bei der seelischen Behinderung von Kindern und Jugendlichen wird besonders deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit der Jugendhilfe mit dem Gesundheitswesen, der Schule und anderen Sozialleistungsträgern ist. Wir brauchen multiprofessionelle Teams in allen Bereichen, wie Schule, Psychiatrie, Jugendamt usw.
Gerade was die Inklusionsbemühungen in Schulen angeht, gibt es beispielsweise in Dortmund und Iserlohn innovative Praxisprojekte, die eindrucksvoll belegen, wie gemeinsames Handeln Kindern und Jugendlichen mit seelischer Behinderung sehr gut hilft.
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